Ausrichter:
Museum August Kestner, Hannover / Roemer- und Pelizaeus-Museum, Hildesheim

In Zusammenarbeit mit:
Egyptology – The Leiden University Institute for Area Studies (LIAS)

Getragen von:
Kunst- und Kulturstiftung Hannover

Zeit: 27. Juni (Anreise) bis 1. Juli 2018 (Abreise)

Johann Joachim Winckelmanns herausragende geistesgeschichtliche Bedeutung als Begründer der Klassischen Archäologie und Kunstgeschichte wird in den Jubiläumsjahren 2017 und 2018 im In- und Ausland mit einer Vielzahl von Ausstellungen (u. a. in Weimar, Berlin, Wörlitz, Stendal, Chiasso und Neapel), Tagungen sowie zahlreichen Publikationen (s. unten) begangen.

Die Tagung „Winckelmann and His Passionate Followers“ möchte den durch mehrere aktuelle Veröffentlichungen und die Ausstellung „Winckelmann – Das göttliche Geschlecht“ im Schwulen Museum in Berlin (2017) neu angestoßenen Diskurs um Winckelmanns von ihm selbst nie verhehlte Homosexualität nachspüren, indem sie diese als konstituierendes Element seiner Interpretation nicht nur antiker Kunst und Kultur aufgreift. Mit Winckelmann wurde (männliche) Schönheit zum Gegenstand der Wissenschaft. Über den biografischen Zugriff hinaus soll hinterfragt werden, inwieweit sich die Geistes- und Kulturwissenschaften unter Winckelmanns Einfluss für eine „queere“ Lesart der Antike öffneten und ein Bild idealer Männlichkeit generierten, das belehrend und begehrenswert zugleich war. Die Queer und Gender Studies bieten hier lohnende Ansätze. Zentrale These der Tagung ist, dass gerade die Archäologie einem international agierenden Netzwerk von Gelehrten und Sammler_innen neue Möglichkeiten eröffnete, einen gleichsam unter der Oberfläche wirksamen Diskurs abseits traditioneller Geschlechterrollen zu entfalten und die erotologische Praxis auf das Gebiet des Antikenstudiums auszuweiten. Im Mittelpunkt stehen die Erotik des Begehrens als Trieb des Forschens, des Sammelns und der künstlerischen bzw. literarischen Produktionen. Dabei sollen sowohl die Zeitgenossen Winckelmanns als auch seine „Passionate Followers“ bis in die Gegenwart behandelt werden, jene kulturelle Elite aus teilweise offen ihre gleichgeschlechtlichen Neigungen auslebenden Archäologen und Mäzene, Sammler_innen, Literaten und Künstler_innen, die in der Aneignung der (griechischen) Antike das Potenzial zu einem ästhetischen und gesellschaftlichen Neuanfang sahen.

Die zeitliche Ausweitung der Thematik auf das Nachleben Winckelmanns bis in die jüngste Zeit hinein erscheint insofern geboten, als schon kurz nach Goethes Schrift Winckelmann und sein Jahrhundert (1805) die Rezeption des Ausnahme-Gelehrten zunächst von der romantischen Bewegung, später von neuen Grabungsbefunden insbesondere in Griechenland, Italien und Ägypten und schließlich von der zunehmend positivistischen, universalhistorischen Ausrichtung der Fächer Archäologie und Kunstgeschichte überlagert wurde. Nach Carl Justis Winckelmann-Biografie von 1866 bezogen erstmalig wieder die (west)deutsche sozialhistorische Forschung und die Literaturwissenschaft der 1970er und -80er Jahre konkret Stellung zu Winckelmanns Homosexualität. Dennoch sind die Vorbehalte gegen das Einbeziehen Gender-bezogener Forschungsansätze in den wissenschaftsgeschichtlichen Diskurs noch lange nicht ausgeräumt, gilt in vielen Köpfen immer noch die von Egon Friedell 1936 mit unverhohlener Homophobie vertretene Herleitung des Klassizismus aus der „sexuelle[n] Perversion eines deutschen Provinzantiquars“.

Das Museum August Kestner bot sich als zentraler Tagungsort nicht nur durch seine einzigartig-vielfältigen Sammlungsbestände ägyptischer, antiker und kunstgewerblicher Objekte an, sondern auch durch die Gestalt des Sammlungsgründers August Kestner (1777–1853), der 36 Jahre in Rom gelebt hat und wahrlich ein „Passioante Follower“ Winckelmanns war. Zweiter prominenter Tagungsort ist das Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim mit seiner weltweit bedeutenden Ägyptensammlung.

Folgende prominente Key Note Speakers konnten gewonnen werden und haben ihre Teilnahme bereits fest zugesagt: Prof. Dr. Whitney Davis (Department of History of Art, University of California at Berkeley / USA), Dr. Adelheid Müller (Institut für Klassische Archäologie, Freie Universität Berlin / Deutschland) und Prof. Robert Deam Tobin (Henry J. Leir Chair in Foreign Languages, Literature and Culture, Clark University, Worcester / USA).

Mögliche Sektionen für das Tagungsprogramm wären:

* Der queere Blick auf Geschichte und Kunst
* Homosexualität(en) in den antiken Kulturen und ihr Nachleben heute
* Archäologie und Erotologie als kulturelle Praxis
* Agenten des Geschmacks: Winckelmanns Zeitgenoss_innen
* Institutionalisierung der Archäologie, Musealisierung der Antike
* Queere Lesarten: Winckelmanns Nachleben in den bildenden Künsten und in der Literatur
* LGBT-Forscher in den Altertumswissenschaften und der Kunstgeschichte
* Schwule Kunstgeschichte(n)? Biografien von Winckelmann bis in die Gegenwart

Die Fachtagung ist gezielt interdisziplinär und international angelegt. Beiträge im Spektrum von einem allgemein-theoretischen Überbau bis zu Case Studies zu markanten Persönlichkeiten sind erwünscht. Der Call for Papers wendet sich an Forscher_innen aller Disziplinen: Klassische Archäologie, Ägyptologie, Kunst- und Bildgeschichte, Gender Studies, Geschichte und deren verwandte Teildisziplinen (Sozial-, Mediengeschichte etc., Vergleichende Literaturgeschichte).

Beiträge und Einsendungen sind in den Sprachen Englisch, Deutsch und Französisch möglich. Der Vortrag sollte 20 Minuten (plus 10 Min. Diskussion) nicht überschreiten. Eine Publikation aller Beiträge in einem gedruckten Tagungsband ist für 2019 vorgesehen. Ihren Themenvorschlag in Form eines Abstracts (max. 1.000 Zeichen) sowie einen kurzen CV reichen Sie bitte bis spätestens 28.5.2018 per E-Mail ein:

organisation@queer-archaeology.de
(Dr. Wolfgang Cortjaens)

Den aufgrund des Abstracts eingeladenen Teilnehmern zahlen die Veranstalter die Reisekosten (Economy), die Übernachtungen von vier Nächten in Hannover sowie eine Aufwandsentschädigung. Ein vielfältiges kulturelles Programm in Hannover und Hildesheim sorgt für einen entspannten Diskussionsrahmen.

Wir freuen uns über Ihre Einsendung und werden Sie baldmöglich wissen lassen, ob Ihr Beitrag Eingang in das Tagungsprogramm findet. Für Rückfragen stehen die Organisatoren Ihnen gern zur Verfügung.

ORGANISATION
Dr. Wolfgang Cortjaens
cortjaens@queer-archaeology.de

MUSEUM AUGUST KESTNER
Prof. Dr. Thomas Schwark (Direktor)
Dr. Christian E. Loeben (Ägyptologie)

ROEMER- UND PELIZAEUS-MUSEUM
Prof. Dr. Regine Schulz (Direktorin)
Dr. Christian Bayer (Ägyptologie)